Begeisterungsstürme beim Neujahrskonzert der „Fränkischen Rebläuse“
Zwei Jahre Zwangspause haben dem Blasorchester beim Konzert in der ausverkauften Mittelmühle nicht geschadet
19 Musikerinnen und 37 Musiker der „Fränkischen Rebläuse“ konnten am Samstagabend nach zwei Jahren Corona-Zwangspause endlich wieder vor rund 450 Zuhörern ihr Neujahrskonzert in der Mittelmühle präsentieren. Regelmäßige Besucher dieser Traditionsveranstaltung waren sich nach den zweieinhalb Stunden einig: „Die Pause hat den Musikern nicht geschadet“ – im Gegenteil. Die Pause hat die Lust am gemeinsamen Musizieren eher noch gesteigert und das Publikum im Lauf des Konzerts zu immer euphorischerem Beifall hingerissen. Vor allem bei den drei Zugaben, dem Big-Band-Standard „Birdland“, dem pointierten „Mah na Mah na“ mit einen engagierten Bassbaritonsolo von Christian Burkard, bei dem die Sesamstraßen-Puppen auf einer großen Leinwand sehr zufrieden aussahen, und dem getragenen, sanften „Perfect“ von Ed Sheeran, verwandelte sich der Saal der Mittelmühle für Minuten in einen Rockschuppen mit Begeisterungsrufen und Füßetrampeln.
Es war ein Neujahrskonzert der hohen Qualität, wie man sie von den „Rebläusen“ unter der wie immer souveränen, klaren und erfreulich uneitlen Stabführung des Dirigenten Bernd Hofmann seit vielen Jahren gewöhnt ist. Die großen Qualitäten des 60-köpfigen Klangkörpers mit erfreulich vielen jungen Musikerinnen und Musikern – sieben von ihnen traten heuer zum ersten Mal auf – haben die unfreiwillige Pause ganz offensichtlich ohne jeden Schaden überstanden. Die intensiven Proben waren hör- und spürbar von Erfolg gekrönt, auch weil die bekannt „sahnigen“ Übergänge in den Medleys rundum überzeugten, weil der Klang des Orchesters genau die richtige Balance zwischen Geschlossenheit und Transparenz zeigte und weil die zahlreichen schönen Soli nie in Selbstdarstellung ausarteten, sondern kleine Glanzlichter im geschlossenen Ensembleklang setzten. Oft bewährt und nicht verzichtbar: die sachlichen, informativen und auch humorvollen Moderationen des Jürgen Fischar und die Abrundung durch gezielt eingesetzte Einblendungen auf der großen Videowand, die alle acht Programmpunkte zu „Gesamtkunstwerken“ abrundeten.
Aus Platzgründen nur eine knappe Charakterisierung des rundum überzeugenden Programms: Selbst Wagner-Skeptiker waren hörbar vom Opener des Abends begeistert, von den Fanfaren und den feierlichen Hymnen des Orchesters, die Wagner-Glanz ohne übertriebenes Pathos in die Mittelmühle zauberten. Wie „fit“ die Musikerinnen und Musiker zum Jahresbeginn 2023 sind, bewiesen sie bei den anspruchsvollen vier Sätzen von Gustav Holsts „Second Suite in F“, deren unterschiedliche Tonfarben, Tempi und Dynamik sie perfekt herausarbeiteten. „March“, „Song without words“, „Song oft the Blacksmith“ und „Fantasie on the Dargason“ klangen jedenfalls so taufrisch wie man das von „Hundertzehnjährigen“ nicht unbedingt erwartet.
Für viele Besucher vielleicht der Höhepunkt im glanzvollen Konzert: Steven Reineckes „Die Hexe und die Heilige“ nach dem gleichnamigen historischen Roman der Ulrike Schweikert. Die authentische Atmosphäre von Aberglauben und Hexenverfolgung im 17.Jahrhundert, das Gemisch aus Verfolgung, Hoffnung und Verzweiflung zur Zeit der Inquisition wird so überzeugend in Tönen gemalt, dass Kenner des Romans die Vorzüge von Musik ganz besonders zu schätzen wissen, wenn sie so atmosphärisch dicht präsentiert wird wie von den Rebläusen unter Hofmann Leitung. Vielleicht das Schönste: Reinecks verzichtet auf einen lauten, dramatischen Schluss und lässt die Töne sanft – oder resignativ ob des Hexenwahns? – versickern.
Kein Neujahrskonzert ohne große Überraschung: Diesmal hatte das Orchester zu den „Arabian Dances“ Hanna Salg eingeladen, zertifizierte orientalische Tänzerin vom Dance-Studio Berk Bozaci in Aschaffenburg, die mit ihrem authentischen Outfit und ihren geschmeidigen, ausdrucksvollen und sinnlichen Bewegungen zur Musik von Brian Balmages einen spannenden Zugang zu einer fremden Kultur eröffnete. Eine subjektive Wertung: Das James-Last-Medley nach der Pause war technisch einwandfrei, aber mancher mag vielleicht doch den typischen „James-Last-Bigband-Sound“ etwas vermisst haben. Keine echte Kritik, aber vielleicht ein Beweis, wie gut das gesamte Programm war. Ganz überzeugend klang das Medley aus „Die Schöne und das Biest“ mit schönen Posaunen- und Flügelhorn-Soli und einer bezaubernden Emma Watson auf der Leinwand. Bei Arturo Marquez‘ „Conga“, einem kubanischen Volkstanz, riss das Orchester mit seiner Dynamik die Zuhörer zu minutenlangem Beifall und „Zugabe“-Rufen hin, bevor die „Rebläuse“ beim offiziellen Schlussstück, Chuck Mangiones „Children of Sanchez“ noch einmal bewiesen, dass sie tatsächlich „Emotionen pur“ in die Halle zaubern können, ohne jemals zu pathetisch zu werden – sicher auch ein Verdienst der drei Solisten. Zum Schluss ein Hinweis auf einen selten zu hörenden Vorzug von Corona: So mancher wird nach in der Zwangspause wieder Auftritte wie die der „Rebläuse“ so schätzen, wie sie es verdienen.“
Heinz Linduschka