Blasmusik vom Feinsten lässt zwei Jahre Coronazwangspause vergessen
Frühlingskonzert der „Rebläuse“ und des MV Germania begeistert in der Mittelmühle
Das Wichtigste vorweg: Corona war am Samstagabend auch in der Bürgstädter Mittelmühle nicht ganz verschwunden und die Zuhörer trugen auch beim zweistündigen Blasmusikkonzert der beiden renommierten Orchester noch die Masken, aber wenn es an diesem Abend einen „Verlierer“ gegeben hat, dann war das die Pandemie. Deutliche Zeichen: Kaum einer der 400 Stühle blieb frei, die Stimmung war trotz Maske und Kontrolle am Eingang glänzend, und – am wichtigsten – was die 50 Musikerinnen und Musiker der „Rebläuse“ vor der Pause und die zwei Dutzend Frauen und Männer von „Germania“ im zweiten Teil an Blasmusik von hoher Qualität und mitreißender Performance zu bieten hatten, bewies: Corona hat dem Können der Orchester und der Begeisterung der Zuhörer keinesfalls geschadet.
Es war ein harmonischer Auftritt der zwei Kapellen, kein Wettbewerb, sondern ein Konzert, in dem die „Rebläuse“ und die „Germania“ ihre eigenen Stärken voll ausspielten, die „Rebläuse“ ihre ausgefeilte, hochdifferenzierte symphonische Blasmusik“, das Orchester der „Germania“ eine schöne und im besten Sinn populäre Mischung aus symphonischen Elementen und feiner traditioneller Blasmusik. Viele Vorzüge hatten beide gemeinsam: Ihre Dirigenten, Peter Jedlitschka (Germania) und Bernd Hofmann (Rebläuse), die uneitel, sachlich und doch spürbar engagiert ihr Orchester souverän und punktgenau führten, zwei Moderatoren, deren Erläuterungen der Qualität der Musik nicht nachstanden: Jürgen Fischar, der seit Jahren die Musik der Rebläuse exakt, witzig und höchst informativ mit seinen Worten begleitet, und Laura Bieberle, die am Samstag sympathisch, charmant und ebenfalls ohne störende Selbstdarstellung die acht Titel der Germania vorstellte. Aus dem abwechslungsreichen Programm des Abends mit insgesamt einem Dutzend Stücken und zwei besonders bejubelten Zugaben, die nahtlos in den Riesenbeifall zur Pause und am Ende mündeten, hier aus Platzgründen nur ein paar Eindrücke von subjektiv ausgewählten Titeln: Seit vielen Jahren meistern die „Rebläuse“ mit ihrer souveränen Interpretation alle Anforderungen, die oft sehr anspruchsvolle symphonische Blasmusik an ein Orchester stellt. Ihre Trümpfe: Exzellente Musikerinnen und Musiker, die unter Hofmanns Leitung eine wunderbare Transparenz der einzelnen Register mit einem harmonischen Gesamteindruck verknüpfen. Der Fanfarenjubel der olympischen Spiele in Seoul ließ die zwei Jahre Pause in wenigen Sekunden vergessen, die Stimmungswechsel von filigranen und rasanten Passagen, pointierten Rhythmen und einschmeichelnden Tönen beim Medley aus der komischen Operette „Banditenstreiche“ hätte sicher auch deren Komponisten Franz von Suppé begeistert, bewies diese beseelte Interpretation doch, dass gute Musik anderthalb Jahrhunderte ähnlich problemlos übersteht wie gute Orchester zwei Jahre Pandemie. Die sensibel und klug gewählte Zugabe, eine mitreißende und stimmungsvolle musikalische Legende aus Irland mit unverwechselbaren Tänzen, Folklore und perfekt zelebriertem „Irlandsound“ provozierte vor der halbstündigen Pause minutenlangen Beifall und Jubelrufe.
Das Schöne nach der Pause: Der MV Germania mit seinem Dirigenten Jedlitschka konnte mit seinen Stärken punkten und fand unter den 400 Besucher genau so seine Fans wie die „Rebläuse“ im ersten Teil. Bei John Powells Filmmusik „Drachenzähmen leicht gemacht“ bewiesen die zwei Dutzend Musikerinnen und Musiker, dass für sie schnelle Stimmungswechsel und „sahnige“ Übergängen bei Medleys überhaupt kein Problem sind. Das wissen sie selbst ganz genau, schließlich spielten sie diese Stärken auch bei den Erfolgstiteln von „Kool & the Gang“ und bei „Santana in Concert“ voll aus und bewiesen zugleich, dass ein gutes Blasorchester in der Lage ist, ein Symphonieorchester ähnlich überzeugend auf die Bühne zu stellen wie Jazz, Funk oder Latin Rock. Mit ihrem „Markenkern“ aber begeisterte auch an diesem Abend die „Germania die Freunde guter traditioneller Blasmusik: Die Polka „Sorgenbrecher“ und der Walzer „Bei Kerzenlicht“ wurden jedenfalls ebenso euphorisch gefeiert wie der pointierte, kraftvolle Marsch als Zugabe.
Ein nicht ganz ernst gemeinter Satz in Besprechungen lautet: „Der Beifall war nicht enden wollend“ – an diesem Abend stimmte er und bewies, wie dankbar das Publikum für diese erfrischende Quelle guter Live-
musik nach einer quälender langen Live-Kulturabstinenz war. So kann es weitergehen!
Heinz Linduschka